Halbinsel La Guajira, Kolumbien
Die wüstenartige Halbinsel La Guajira bildet den nordöstlichsten Zipfel von Kolumbien und grenzt an Venezuela. Es gibt praktisch keine Infrastruktur und es erfordert ein wenig Geduld und ausreichend Spanisch um dorthin zu gelangen. Abseits der Touripfade. Das hört sich doch spannend an. So lernt man das Land und seine Bewohner auch am Besten kennen. Also worauf warten!
Die Reise beginnt in Santa Marta
Ich nehme den Bus von Santa Marta und kaufe mir ein Ticket bis Riohacha. Die Fahrt ist schön, immer der Küste entlang. Da es keine Haltestellen gibt, bzw die für uns Europäer nicht wirklich logisch oder ersichtlich sind, habe ich begonnen beim Einsteigen von Bussen den Fahrer jedesmal nach der Fahrtdauer zu fragen. So hat man zumindest ein bisschen das Gefühl der Kontrolle und des Wissens. In Riohacha angekommen, die Haltestelle waren Mülleimer, stieg ich aus und der Kontrolleur gab mir meinen großen Rucksack. Beiläufig fragte er mich, wo ich denn eigentlich hin will, da ich der einzige Passagier war, der hier ausstieg. Verwundert über diese Frage sagte ich bloß ‚Cabo‘. Daraufhin wurde er ganz hektisch, rieß mir mein Rucksack wieder runter, schrie auf Spanisch ‚lauf lauf, steig ein!‘, der Bus hatte nämlich schon wieder zum Wegfahren angesetzt und lief mir schnaufend nach. Ich sprang in den fahrenden Bus und war sichtlich verwirrt. Was war das denn bitte? Der Busfahrer brabbelte irgendwas auf schnellem Spanisch daher, ich verstand absolut nichts und er entschied für mich die Weiterfahrt. Nun gut, mal sehen wohin mich dieser Bus wohl nun bringen mag.
Cuatro vías – die Kreuzung
Fast ne Stunde später winkt mir der Kontrolleur zu und schmeißt mich an einer Kreuzung raus. Ich hole kurz Luft, nachdem ich auf meiner offline Google Karte sah, wie nah ich doch bei Maicao bin. Der Benzin Schmuggler Grenzstadt zu Venezuela. Toll. Nach Venezuela wollte ich eigentlich nicht. Ich versuche selbstbewusst auszusehen, obwohl ich keine Ahnung habe, wo ich eigentlich bin, was ich hier mache und wie ich von dieser Kreuzung wieder wegkomme. Grundvertrauen heißt das Zauberwort in diesem Moment. Und keine 3 Sekunden später, kommt mir auch schon ein Mann entgegen.
„Cabo de la Vela?“. Ein ’si‘ und ein Kopfnicken reichen dem Mann, um mir meinen Rucksack abzunehmen und ihn in seinen Jeep zu verfrachten. Preis wird später bekanntgegeben. Der Mann weiß sich in Überlegenheit. Wir gehen Mittagessen, „Müssen noch auf andere Reisende warten,“, sagt er, „eine Stunde oder so“, meint er. Aber wissen tut er es eigentlich nicht wirklich, ob noch jemand kommt beziehungsweise bis wann. Der Mann ist sich trotzdem sehr sicher. Ist vermutlich nicht sein erster Tag an dieser Kreuzung.
Die insgesamt 7 Plätze des Jeeps sind wirklich innerhalb einer Stunde alle gefüllt und es kann losgehen. Diese Fahrt ist eine meiner schönsten in Kolumbien. Trotz der kaputten Windschutzscheibe vor meiner Nase. Die endlos lange Straße, der Himmel und die Sträucher und Kakteen am Straßenrand scheinen so, als ob sie gemalt sind. Ich verliere das Bewusstsein zur Zeit. Irgendwann wechselt die asphaltierte Straße zu einer Straße aus Lehm, die immer wieder etappenweise überflutet ist. Aber mit dem Jeep ist das alles kein Problem. Es ruckelt nur ein bisschen.
Auf dem Weg nach Cabo stehen immer wieder Wayúu Kinder aller Altersgruppen am Wegesrand und halten die Hand auf. Die Wayúu’s sind die Bewohner der Halbinsel. Das wichtigste indigene Volk Kolumbiens, das nach wie vor nach den Regeln ihrer eigenständigen Kultur lebt. Wir bleiben bei ein paar Kindern stehen und ich verteile Zuckerl aus der Dose. Die kucken mich an, als sei ich ein Gespenst. Stimmt wahrscheinlich auch, betrachtet man nur meine Hautfarbe.
Das letzte Stück fahren wir am Strand, bis wir eine kleine Unterkunft in Cabo de la Vela erreichen. Ich weiß nicht mal den Namen und checke ein, ohne nach dem Preis zu fragen, so sehr ist das Vertrauen zu meinem Jeep Fahrer gewachsen.
Cabo de la Vela, Kolumbien
Ich beziehe mein „Zimmer“. Eine typische Chinchorro Hängematte. Zwei Meter vom Strand entfernt. Z W E I Meter. Einfach toll. Dafür akzeptiere ich, dass die Dusche nur aus einem großen Kübel und einem kleinen Becher besteht und die Toilette keinen Toilettensitz und sowieso keine Spülung hat. Strom und Licht gibt es auch nicht. Hier ist es also das Abenteuer!
Ich buche für den nächsten Tag das ‚lancha‘ (Boot). Reiseplanung erledigt. Sehr gut. Alle Pflichten erfüllt. Und da es noch einige Stunden bis zum Sonnenuntergang sind, mache ich mich eifrig auf zum Leuchtturm. Begleitet vom Sohn der Hängenmattenbesitzerin und einem streunenden Hund bahnen wir unseren Weg den Strand entlang Richtung Turm. Lemonar, oder so ähnlich (ich bin echt mies im Namen merken), fragte mich, warum ich denn eigentlich zum Leuchtturm wolle und nicht zum Berg. Der Berg sei doch viel schöner, die Aussicht besser, die Sonnenuntergänge spektakulärer und überhaupt und außerdem sieht man ja den Leuchtturm von dort auch. Nur halt aus der Ferne. Ich kucke nach links Richtung Turm und nach rechts Richtung Berg. Ich liebe Türme U N D Berge. Aber beides kann ich nicht haben, zumindest nicht in diesem Moment. Hm, ich überlege kurz und frage ihn, ob es denn gleich weit ist zum Laufen. Der Berg schien kilometerweit entfernt und der Leuchtturm so nah. Ja ja meinte er, beides ne halbe Stunde entfernt von hier. Ich war mir dessen nicht sicher. Der Berg war wirklich weit weg. Aber da der Berg mitten in der Wüste stand, glaubte ich an die Verzerrung der Entfernung und Lemonar muss es doch wissen, der wohnt ja immerhin hier. Oder etwa nicht? Also Planänderung. Auf gehts zum Berg!
Cerro El Pilòn de Azùcar
Die Wanderung durch die Wüste war einfach unglaublich. Die Farben so sanft, die Flora unbeschreiblich. Von Sträuchern bis über kleine Gräser und Bäume bis hin zu jeglicher Art von Kakteen. Auf dem Weg winkten uns immer wieder Wayuu Kinder zu, die in der Wüste weit verstreut in einfachen Holzhütten wohnten. Da die Strecke so schön war, vergass man die Zeit und die Distanz. Wir liefen über eine hohe Sanddüne und wir waren wieder am Meer. Am Fuße des Berges war eine kleine Bucht, wo Einheimische badeten. Es war fast zu idyllisch um wahr zu sein. Wir stiegen den kleinen steinigen Berg hinauf und Lemonar hatte nicht gelogen. In keinster Weise. Nur brauchte ich ein bisschen, bis ich meine Stimme wieder fand. So überwältigt war ich von dieser Schönheit der Natur.
Lost in the desert at night!
Als die Sonne am Horizont verschwand, machten wir uns auf den Rückweg. Mit großen Schritten liefen wir den Weg zurück. Lemonars Gefühl für Distanzen war total verkehrt und die Strecke zum Berg war im Endeffekt doppelt so lang gewesen, als bloß zum Leuchtturm. Wusst ich’s doch! Und so passierte es, dass der Tag zur Nacht wurde und die Wüste stockdunkel. Es war so dunkel, sodass ich nicht mal mehr meine eigene Hand vor Augen sah. Bloß in weiter Ferne die vereinzelten Lichter vom Dorf. Lemonar machte die Dunkelheit nichts aus, er war sie gewöhnt. Doch ich war wie ein blindes Huhn. Ich stolperte so vor mich hin und die knöchelhohen Sträucher zerkratzen meine Haut. Ich versuchte ruhig zu bleiben, da es ja sowieso keine andere Option gab, als in Richtung der Lichter zu laufen. Es gab keinen Handyempfang, keine Taxis, keine Menschen. Nur mich, Lemonar, der streunende Hund (Ja, er war immer noch da!) und die endlose Dunkelheit der Wüste.
Doch Lemonar war sich seines Weges sicher und eilte mit schnellen Schritten voran. Irgendwann gewöhnten sich auch meine Augen an die Finsternis und ich eilte gleich schnell nach. Lemonars Sicherheit machte auch mich sicher und so erreichten wir nach 4 Kilometer wieder das Dorf. Zuhause angekommen duschte ich erstmal. Soweit man Becher über Kopf kippen duschen nennen kann. Und das ganze natürlich auch noch ohne Licht. Aber das war ja nach der Wanderung kein Problem mehr für mich. Danach kuschelte ich mich gemütlich in die Hängematte und ließ mich mit dem Meeresrauschen in den Schlaf bringen.
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