Die Plattenbauten und Berge von Marzahn

Zuerst erschienen auf: www.mitvergnuegen.com | Datum: 22.07.2017

Heute morgen kam es groß in den Medien: Cindy aus Marzahn ist wieder zurück! Da mich die Frau immer schon ein bisschen verwirrt, aber auch neugierig gemacht hat, wer denn unter dieser Perücke stecken mag, bin ich umso gespannter auf ihren Heimatbezirk Marzahn und was mich dort erwarten wird. Das Image dieses Randbezirkes von Berlin lässt ja ein bisschen zu wünschen übrig, doch gerade das fasziniert mich irgendwie. Vor ein paar Monaten hab ich schon einen Guide über Marzahn verfasst, jetzt will ich mir selber mal ein fotografisches Bild von diesem Stadtteil machen.

Ich starte an der Warschauer Brücke und fahre mit der S7 schnelle 16 Minuten bis nach Marzahn. Das ging ja flott. Ich laufe die Treppen von der S-Bahn hoch und bin gleich fasziniert von dem S-Bahn Übergang. Alt und verrostet ist das Gitter, undicht das Dach, aber es hat Charme.

Ein paar Meter von der Haltestelle entfernt begrüßt mich Marzahn mit einer 8 spurigen Straße, mit dem futuristischen Einkaufscenter Eastgate und mehreren Plattenbauten. Was für eine Begrüßung…

Bei der nächsten Grünphase husche ich über die Straße und befinde mich schon mitten in der Marzahner Promenade und dem geschäftigem Busbahnhof. Ich entscheide mich, bis nach Alt-Marzahn zu laufen und bin überrascht, wie sauber doch Marzahn ist.

Zwei Straßen muss ich überqueren, die Marzahner Promenade und die Landsberger Allee, um in Marzahns Siedlungsgebiet einzutauchen. Am Kiebitzgrund treffe ich auf Olaf, der gebürtiger Biesdorfer ist und gerade am Zeitungslesen in seinem großen Garten ist.

Olaf ist Schlosser bei der Bahn und wohnt schon seit 1978 hier. Das Haus hat er selbst gebaut, nur im Garten führt die Schwiegermutter Regime. „Früher war das hier eine Einbahnstraße und es standen keine Häuser hier. Das war schön, so schön ruhig.“, schwärmt Olaf von der alten Zeit. Ob er denn gerne wo anders wohnen würde, frage ich ihn. „Ja“, antwortet er, „in Bayern in den Bergen, Berlin ist mir einfach zu laut und zu hektisch geworden.“

Die kleine Siedlung erinnert mich sehr an mein Zuhause. Kleine Vorgärten, großer Garten im hinteren Bereich, Zierkugeln und Dekogartenartikeln vor der Haustüre. Getrennt durch Zäune und Schilder. Hier werden eindeutige Grenzen gezogen.

Ein paar Meter weiter erwartet mich Alt-Marzahn. Das kleine „Schaudorf“ von Marzahn. Ich fühle mich wie in einem großen Freiluftmuseum und halte Ausschau nach der Eintrittskasse. Viel Kunst und Kultur gibt es hier, Schnittlauch zu kaufen und Bücher zur freien Entnahme. Jedes Blümchen hat hier seinen festen Platz und wenn die Eiskugel mal runter fällt, kann man sie ohne weiteres wieder aufheben, so sauber sieht der Boden hier aus.

Die Sonne brennt auf meine Haut und mir ist heiß – eine kurze Abkühlung ist angesagt und ich besuche das Landhaus Marzahner Krug. Um diese Zeit sind noch keine Gäste da, ich bekomme mein Soda-Zitrone und darf mich etwas umsehen. Mit viel Liebe zum Detail wurde dieses Landhaus eingerichtet und bietet wirklich eine urige Atmosphäre und zum Essen gibts hier deftige Hausmannskost.

 Hinter dem Marzahner Krug befindet sich auf einem kleinen Hügel die Marzahner Bockwindmühle. Sie ist die Rekonstruktion der Mühle vom Jahr 1815. Auf dem Hügel wird gerade frisches Heu geerntet und Schafe, Ponys, Esel und Lamas grasen um die Wette. Bin ich hier wirklich noch in Berlin?

Nach soviel Landluft will ich nur noch eins – hoch hinaus. Die Österreicherin in mir kann ich nicht verbergen, wenn es um Berge geht. Also auf gehts zu den Ahrensfelder Berge!

Dass Marzahn an der Grenze zu Brandenburg liegt, merke ich immer dann, wenn ich mehr als 10 Minuten auf die Straßenbahn warten muss. Aber Geduld will belohnt werden! Von der Haltestelle Alt-Marzahn fährt die Tram 18 direkt zum „Einstieg“ zum Ahrensfelder Berg – Haltestelle Betriebshof Marzahn. Danach einfach den Schildern folgen.

Es gibt einen geschotterten Weg hinauf oder einen über Stock und Stein und mitten ins Gebüsch. Letzeres hab natürlich ich gewählt und wurde schon fast zum Umkehren gebracht, als mir die Brennnesseln zu Kopfe stiegen.
 Der „Aufstieg“ dauert nicht lange, 15 Minuten, wenn man schnell läuft, gemütlich höchstens eine halbe Stunde. Und es lohnt sich wirklich. Die Aussicht ist einfach fantastisch und die Ruhe und Stille unbezahlbar.
Die Nähe zu Brandenburg wird hier oben erst so richtig bemerkbar und greifbar.
 

Wie es so ist auf einem Berg, trifft man auch immer wieder neue Leute. Und so führe ich mit Jürgen ein wundervolles Gespräch über Gott und die Welt. Jürgen kommt aus Ulm, ist aber schon seit Ewigkeiten in Berlin. Irgendwann hergekommen und nie mehr weggezogen. Gelernter Erzieher ist, hat jetzt aber eine Umschulung zum Pfleger gemacht und arbeitet in einem betreutem Wohnheim für Demenzkranke. „Ich hab gelernt, mich über kleinste Kleinigkeiten zu freuen, zum Beispiel, wenn mich der Bewohner, wenn ich mal 5 Minuten aus dem Zimmer war, danach immer noch kennt“, sagt er schmunzelnd.

Marzahn hat mich in vielerlei Hinsicht überrascht und beglückt. Tolle Menschen, viel Natur und soviel Platz für jeden einzelnen. Ich hab zwar jetzt nur das Zentrum und die Berge gesehen, aber mehr geht sich in zwei Stunden auch einfach nicht aus, dafür ist Marzahn einfach viel zu groß. Aber eines steht fest: Ich werde ganz sicherlich mal für einen Sonnenaufgang auf die Ahrensfelder Berge kommen, die sollen nämlich spektakulär sein, verriet mir Jürgen.